Der Fall »Dr. Jaeniche«: Machtkampf um die Kunststoff-Dynastie

Ortenau/Kehl-Leutesheim. Nicht nur in der Gemeinde Leutesheim wirbelte die Geschichte um Millionen, die der Unternehmer Dr. Herbert Jaeniche an der Steuer vorbei auf Konten im Ausland transferiert haben soll, viel Staub auf. Wie berichtet, ermittelt in dieser Angelegenheit die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Mannheim. Dr. Herbert Jaeniche sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Nun melden sich in der unliebsamen Angelegenheit Familienangehörige und Betroffene zu Wort, suchen über diese Zeitung den Weg an die Öffentlichkeit, auch um die Firma und damit Arbeitsplätze in dieser Region zu erhalten.

Da ist zunächst Gertrud Lusch von der Schlossbrauerei Stöckle in Schmieheim, eine Schwester der ersten Frau des Dr. Jaeniche Sie erinnert sich an die Zeit vor 20 Jahren, an jene Zeit, als ihre mit Dr. Jaeniche verheiratete Schwester Ilse nur noch kurze Zeit leben sollte. »Sie hatte mit Jaeniche die Hölle auf Erden, er hat sie belogen und betrogen, hat sie schließlich in den Selbstmord getrieben«, so geht aus einem an das Amtsgericht Kehl gerichteten Brief hervor, dessen Original sich im Besitz der in der Schweiz lebenden Tochter des Inhaftierten Dr. Herbert Jaeniche befindet und der als Fax-Kopie von ihr an die Familie Stöckle übermittelt wurde (eine Kopie des Briefes mit der schweizerischen Fax-Kennung von liegt der Redaktion vor). Hier werden Demütigungen der grausamsten Art beschrieben, die wortwörtlich nicht veröffentlichbar sind. Keine 70 Stunden nach Verfassung des Briefes hat sich dann Ilse Jaeniche in der Garage des Wohnanwesens das Leben genommen.

Immer wieder ganz besonders wütend macht Lusch, dass ihr Ex-Schwager seither alljährlich in genau dieser Garage am Todestag seiner ersten Frau ein Fest feiert, zu dem er alle seine Freunde und Bekannten einlädt.

In jener Zeit vor über 20 Jahren, so Lusch weiter, habe die kriminelle Karriere des Unternehmers schon angedauert. Denn dieser habe nicht nur seine Frau mit der Haushälterin betrogen, sondern sei schon in den 70er und 80er Jahren in kriminelle Machenschaften finanzieller Art verwickelt gewesen. Wegen dieser Millionenbetrügereien wurden dann 1990 Ermittlungen aufgenommen, verurteilt wurde aber schließlich 1998 nicht Dr. Herbert Jaeniche, sondern dessen Geschäftsführer Horst Meier, ein Bauernopfer, meint Lusch.

Schlimm findet Lusch auch, dass der Firmengründer und Vater des Dr. Jaeniche, Wilhelm Ludwig Jaeniche, wegen der Machenschaften seines Sohnes ins Visier der Ermittler geraten war. Auch dieser sollte damals als Geschäftsführer ausbaden, was sein Sohn angerichtet hatte. Wilhelm Jaeniche verstarb noch während der Ermittlungen gegen ihn, als fast 97-jähriger, jedoch nicht ohne zuvor seinen Sohn Herbert Jaeniche zu enterben.

Vor Gericht, erinnert sich Lusch, habe sich seinerzeit Dr. Herbert Jaeniche damit aus der Affäre gezogen, dass er auf seinen (inzwischen als falsch erwiesenen) Wohnsitz im Ausland verwies und deshalb von nichts gewusst haben wollte, »das gleiche« Strickmuster wie heute. Und nur deshalb stand Großvater Wilhelm Jaeniche bis zu seinem Tod im Mai 1997 unter Anklage. Zuvor hatte er aber noch seinen Enkel Willi Jaeniche als Haupterben eingesetzt, in der Hoffnung, dass so sein Lebenswerk in besseren Händen verbleibe und nicht weiterhin Manipulationen und Betrügereien ausgesetzt sei. 1997, bereits 72jährig, habe Dr. Jaeniche unmittelbar nach Bekanntgabe des Vermächtnisses seines Vaters einen Erbschaftastreit vom Zaun gebrochen. Mit Macht versuchte und er seither, seinen Sohn Willi aus der Firmenführung zu drängen. So habe er – selbst immer noch in seiner Position als Geschäftsführer – von seinem Wohnsitz in Frankreich aus seine frühere Haushälterin und heutige Ehefrau Anelie als Generaldirektorin der französischen AG eingesetzt, »obwohl die mit Sicherheit weder die berufliche noch sonstige Qualifikationen für solch eine Aufgabe hat«. Es gehe Dr. Jaeniche schlicht darum, seine Macht und seinen Einfluss in der Firma aufrecht zu erhalten, mutmaßt Lusch.

Auch für dieses Generaldirektorengehalt wurde von Frankreich aus ein falscher Wohnsitz in der Schweiz angemeldet, ergänzt Willi Jaeniche. Das aber sei ein gravierender Fehler in den Winkelzügen seines Vaters gewesen, denn den französischen Behörden sei die Sache nun spanisch vorgekommen. »Die fragten bei den deutschen Behörden an, ob hier tatsächlich Einkünfte versteuert werden, wie mein Vater immer wieder behauptet hatte«. So sei der ganze Schwindel schließlich aufgeflogen: In Frankreich habe Dr. Jaeniche angegeben, dass er in der Schweiz wohne und dort versteuere. Dort hatte er sich jedoch nie angemeldet, er besitzt dort lediglich ein Ferienhaus zusammen mit seiner Tochter Sybille Rippmann. In Deutschland habe er behauptet, dass er in Frankreich wohne »und diesen ›Dreiecksverhältnis‹ habe sein Vater letztendlich Millionen an Steuern unterschlagen.

Nun versuche Dr. Jaeniche selbst noch aus der U-Haft heraus, Einfluss auf die Firmenleitung zu nehmen, »er bekämpft mich, versucht mich mittels juristischer Winkelrüge aus der Finnenleitung zu dringen, mir auf alle Fälle die Leitung des Betriebes so schwer wie möglich zu machen«, ärgert sich Willi Jaeniche. Denn nun gehe es seinem Vater offenbar nur noch um die Vernichtung der Existenzgrundlage des Sohnes, »auch wenn dabei die Firma über den Jordan geht«.

Jüngster Schachzug: Das Gesetz gibt Dr. Jaeniche selbst aus der U-Haft heraus die Möglichkeit, über eine Gesellschafterversammlung den Sohn als Geschäftsführer des Betriebes abzusetzen und vom Gericht einen »Notgeschaftsführer« einsetzen zu lassen. Das aber konnte das Ende eines Betriebes sein, der derzeit über eine gute Auftragslage und damit über sichere Arbeitsplätze für eine über hundertköpfige Belegschaft verfügt, fürchtet Willi Jaeniche.

»Bewusst riskiert mein Vater die Firma, nur um zu verhindern, dass ich hier die Firmenleitung behalte«, zieht Willi Jaeniche ein bitteres Fazit. Und weiß, dass die ganze Angelegenheit an »Dallas« erinnert. »Nur dass es hier nicht allein um Geld und Macht und schon gar nicht um Film und Fiktion geht, sondern dass ganz real die Existenzgrundlage vieler Arbeitnehmer mit Familie in einem kleinen Ort auf dem Spiel steht. Leute, die wissen, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben und die nach eigenem Bekunden wollen, dass der Juniorchef die Finnenleitung behält. Ob es so bleiben kann, hängt letztendlich davon ab, wie das Gericht solche Argumentation gewichten wird, wenn es denn zur Auseinandersetzung um die Betriebsführung kommen sollte.

Text: Thomas Reizel
Archivfoto

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