Schliffdi-Crew zog »Disse-Ernschd« liebevoll durch den Kakao

Kehl-Leutesheim. Ein schöneres Abschiedsgeschenk hätten die Leutesheimer Ernst Kleinmann nicht machen können: Beim „Schliffdi“ zogen sie ihren Noch-Ortsvorsteher liebevoll durch den Kakao. Auch Ortsräte, Nachbardörfer und –länder, vor allem aber die Litzemer selbst bekamen ordentlich ihr Fett weg. Eines muss man den Litzemern lassen: An Selbstironie und gemeinsamer Schaffenskraft mangelt es dem 1500-Seelen-Dorf im Norden von Kehl nicht. Ein Spektakel wie der »Schliffdi«, Höhepunkt des viertägigen Musikfestes, steckt sowohl vom Aufwand als auch vom Unterhaltungswert jede ähnliche Veranstaltung im Umkreis locker in die Tasche. Nirgendwo sonst stehen so viele Akteure auf der Bühne, sind so viele Vereine und Personen an einer einzigen Vorführung beteiligt. Und nirgendwo sonst bricht das Festzelt an einem Montagnachmittag aus allen Nähten, bald 700 Gäste zählt die Veranstaltung regelmäßig, es wird gekreischt, gejubelt, ein Wunder, dass die Bänke am Ende noch da stehen, wo sie stehen.

Ein Dorf hält zusammen. Und wie sollte es diesmal auch anders sein: natürlich gegen »Kahl«, und gegen den Rest der Welt. Zwei hochrangige Politiker gilt es zu verabschieden, der eine ist der stolze Statthalter Petry Pontifex (in Anlehnung an den Ex-OB von Kehl), der andere der aufrichtige »Disse-Ernst«, Häuptling eines kleinen unbeugsamen Dorfes im Norden des Imperiums, das nicht aufhört, seinen bürokratischen Besatzern Widerstand zu leisten. Es ist der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der »Disse-Ernst« den Floh ins Ohr setzt, er solle der Nachwelt doch ein prächtiges Denkmal hinterlassen. Ein Regionalpark muss her: »Viecher hast du doch genug!«

Sie kennen ihn gut, ihren Noch-Ortsvorsteher. Liebevoll ziehen die Litzmer Ernst Kleinmann durch den Kakao, wie er sich bedingungslos um sein Dorf, seine Heimat, seine Familie, die Natur, kurz: um alles und um jeden kümmert – während Petry Pontifex eher bestrebt ist, die Gunst und die Zuwendungen der Götter nach des Reiches Mitte (also nach Kehl Stadt) zu lenken. »Die Tram wird kommen«, verkündet er großspurig, »kosta quantum maximum, koste es, was es wolle.«

Mit Wortwitz und Scharfsinn treffen die Akteure jeden wunden Punkt im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Dorf-Geschehen. »Aus Kahl is noch nie was G’scheits g’komme«, resümiert Disse-Ernst. Und ist deshalb nicht gerade begeistert, als er ein Präsent aus dem »Kahler« Rathaus erhält. Das Geschenk stammt gleichwohl nicht von »Petry«, sondern von »Toni« . Disse-Ernst bleibt trotzdem skeptisch: »Hoffentlich kommen wir da nicht vom Regen in die Traufi!«

Aber nicht nur die Lokalprominenz bekommt ihr Fett weg, auch die Straßburger und die Nachbargemeinden werden gehörig auf die Schippe genommen. Nicht zuletzt »das Volk der Litzianer« selbst, die Disse-Denten, denen man nie etwas recht machen kann. Disse-Ernst träumt von einem Land, »wo es nur so hummelt, karchelt und keckelt« (das sind die drei dominierenden Familiennamen in Leutesheim), sein Regionalpark ist voller Kühe, Schweine und Hühner – und: vor allem ruhig! Petry Pontifex hingegen hat ganz andere Pläne für seinen Freizeitpark: Modern soll er sein, protzig, ein Monument, mit dem er in die Annalen der Geschichte eingehen kann. Da sich die Hohen Räte nicht einigen können, welcher Park der bessere ist, entscheidet schließlich ein Wagenrennen das erbitterte Duell der beiden Sturköpfe. Disse-Ernst gewinnt, nicht weil sein Wagen der schnellere ist, sondern weil der Gegner disqualifiziert wird. Petry Pontifex kniet nieder, entschuldigt sich für alle seine Missetaten und bittet um Gnade. »Wie lang hab ich auf diesen Augenblick gewartet!«, ruft Disse-Ernst glücklich. Ein Traum, wie er im Buche steht.

Text: Antje Ritzert
Foto: Marco Karch

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