Zeitungsausträgerin Erna Ulrich hört nach 43 Jahren auf

Kehl-Leutesheim. »Ich wollte die Zeitung noch ein kleines Stück weiter ins Rohr reinschieben, damit sie nicht nass wird«, erzählte Erna Ulrich. Dann war es auch schon passiert. Die 76-jährige Leutesheimer Zeitungsausträgerin stürzte, verletzte sich am Knie und so geht die »Haage-Erna«, wie sie in »Litze« genannt wird, nun nach 43 Jahren Dienst am Leser in den wohlverdienten Ruhestand.

Eigentlich, so gesteht sie, hätte sie die 45 noch gerne voll gemacht. Und nach einigen Krankengymnastikanwendungen ist sie auch schon wieder deutlich besser auf den Beinen. Am liebsten, so scheint es, würde sie wieder mit dem Austragen anfangen, denn morgens ab zwei knurrt ihr der Magen. Dann würde sie am liebsten schon frühstücken.

Das waren noch Zeiten, als sie am 1. März 1965, einem fürchterlichen Regentag, anfing. Der Bahn-Kärel aus Auenheim schmiss das Zeitungspaket aus dem Entenköpfer und die »Haage-Erna« verteilte die Nachrichtenblätter flugs in halb »Litze«. Ihr Revier war immer die westliche Dorfhälfte, auf der anderen Seite der Hauptstraße trug damals noch der Benne Hans aus.

Vom Lohn der ersten Monate kaufte sich Erna Ulrich einen teuren Regenmantel. Den konnte sie gut gebrauchen. Und das gute Stück hat sie heute noch, auch wenn er nicht mehr ganz so gut wie damals passt, wie sie schmunzelnd berichtet. Das Zeitung austragen hat ihr immer Spaß gemacht. Bei Wind und Wetter draußen. Früh morgens, von viertel nach zwei bis fünf. Im Winter oftmals mit dem Schlitten und den Stachelstöcken unterwegs. Ran bis an die Hautür. Zeitungsrohre hatten zumindest früher die wenigsten…

Und Stress gab´s höchstens mal mit ‚Baschkathrines Spitz‘. Einmal biss er zu. Zum Glück hatte die Zeitungsfrau gute Lederstiefel an. »Mensch war das ein Giftzwerg«, erinnert sich Erna Ulrich. Sie hat ihn überlebt. Genauso wie die vielen Baustellen im Dorf: Trinkwasserleitung und Kanalisation. »Über Gräben und Löcher bin ich gestiegen. Das waren echt schlechte Zeiten«, erinnert sich die 76-jährige.

Text/Foto: Jürgen Preiß

 

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